Hymnos Akathistos

Teil 3


Während sich im Hymnos Akathistos vor allem der Glaube an die Menschwerdung Christi in der byzantinischen Welt des fünften Jahrhunderts als Zentralthema erkennen lässt, merkt man dabei gleichzeitig auch das Bestreben des Verfassers diesen Glauben bzw. die mit diesem geheimnisvollen Ereignis verbundenen Zeichen zu bekräftigen. Demnach kann man den Hymnos als ein Transportmittel nicht nur zur Überbringung, sondern zur weitreichenden Verbreitung einer wichtigen Botschaft verstehen; diese Botschaft ist, wenn wir so wollen, eine weihnachtliche: Gott ist Mensch geworden, geboren aus der Jungfrau Maria. Ein idealer und passender Ort für die Verbreitung dieser Frohbotschaft bleibt wohl die liturgische Versammlung, in der das christliche Volk diese Glaubensinhalte in einer hymnischen und sich ständig wiederholenden Form zu hören bekommt. Es bietet sich daher an, aus dem Inhalt des Akathistos einige Textstellen zu betrachten, in denen der Verfasser die genannte Botschaft bekennt, verkündet oder auch verteidigt. Er tut es zwar poetisch, jedoch genug anschaulich und unmissverständlich, und scheut selbst die körperbezogene Ausdrucksweise nicht, wenn es z.B. darum geht, das Geheimnis der Empfängnis Jesu näherzubringen.

So lässt er die heilige Jungfrau, die sich ihrer Keuschheit bewusst ist, auf die Grußworte Gabriels folgendermaßen erwidern: "Der merkwürdige Sinn deiner Anrede scheint meiner Seele schwer begreiflich. Denn eine Schwangerschaft durch samenlose Empfängnis versprichst du..." (St. 2). Und weiter: "Aus meinen keuschen Lenden einen Sohn zu gebären, wie ist das möglich? Sage es mir!" (St. 3). Auf ähnliche Weise wird der innere Kampf ihres Bräutigams Josef geschildert, der plötzlich mit der Schwangerschaft seiner Braut konfrontiert wird: "Er wusste dich vorher unberührt und vermutete dich insgeheim begattet, Unbescholtene!" (St. 6). In folgenden Stanzen geht es um das lebendige Zeugnis für Christus, den menschgewordenen Gott, durch die verschiedenen Volksvertreter, die ihm begegnen. Zuerst durch die Hirten: "Die Hirten hörten die Engel, Christi Erscheinung im Fleische preisen. Sie eilten wie zum Hirten und sahen ihn als makelloses Lämmlein an der Brust Mariens weidend" (St. 7). Dann durch die Gottsucher aus der Ferne: "Einen auf Gott zusteuernden Stern beobachteten die Magier...und fanden so den mächtigen Herrscher" (St. 8); sie sahen "in den Händen der Jungfrau den, der mit der Hand die Menschen schuf" (St. 9). Und schließlich durch die ältere Generation: "Als Simeon im Begriffe stand...ins Jenseits hinüberzutreten, wurdest du als Kind ihm übergeben. Er aber sah den vollendeten Gott in dir..." (St. 12).

Auf der anderen Seite stehen allerdings Menschen, die mit der Menschwerdung Gottes nichts anfangen können. Der Verfasser des Akathistos hat hier besonders Menschen aus den gelehrten Kreisen vor Augen und versucht diese mit der Weisheit Gottes zu konfrontieren, die sich z.B. auch im Zeichen der Jungfräulichkeit Mariens widerspiegelt. Es ist für ihn wichtig gerade im Hinblick auf die Menschwerdung Christi den Glauben an die Jungfräulichkeit Mariens zu betonen und gleichzeitig zu zeigen, dass dieser Glaube für die besagten Gelehrten eine Überforderung darstellt: "Die vielrednerischen Rhetoren sehen wir vor dir stumm werden wie Fische, o Gottesmutter. Unfähig sind sie zu sagen wie du Jungfrau bliebst und gebären konntest" (St. 17). Sodann wird Maria als Gefäß der Weisheit Gottes gepriesen, die ungläubigen Gelehrten aber werden vor ihr lächerlich gemacht: "Die Philosophen hast du als unweise erwiesen; die Wissenschaftler hast du widerlegt; die klugen Forscher wurden ratlos; die Mythenmacher fabeln nicht mehr; den Athenern hast du die Stricke zerrissen" (St. 17). Die ablehnende Haltung der griechischen Gelehrten hat bereits Apostel Paulus erfahren können, als er im Areopag über die Auferstehung Christi reden wollte (vgl. Apg 17,32). Es sind hier zwei Wege erkennbar, die einen Zugang zur Weisheit suchen: Der Weg des Verstandes und der des Glaubens. Im Akathistos scheint die Tendenz zu sein das in der hellenistischen Welt zu stark propagierte Gewicht des Verstandes mit dem Gegengewicht des Glaubens relativieren zu wollen. Als Mittel dazu wird in dem Hymnos das Zeichen der Jungfräulichkeit verwendet, welche in der christlichen Mystik die Offenheit für Gott symbolisiert: Ein Mensch kann nur dann für die anderen fruchtbar werden, wenn er für Gott - die Liebe - offen bleibt. In diesem Sinne hebt der Akathistos die Jungfräulichkeit noch einmal hervor: "Wie eine lichtreiche Fackel...sehen wir die heilige Jungfrau. Das unkörperliche Licht entzündend, führte sie alle zur göttlichen Erkenntnis, den Verstand erleuchtend mit ihrem Glanz..." (St. 21).

fr. Fero M. Bachorík OSM