Maria in der Bibel

Paulus (Galaterbrief) und Markusevangelium

 

Woran denkt ein Christ, wenn er das Glaubensbekenntnis spricht und dabei die Worte "geboren von der Jungfrau Maria" betet? Wenn er sich darüber Gedanken macht, wird er sicher bemerkt haben, dass der Jungfrau Maria in der Heilsgeschichte eine wichtige Rolle zukommt. Es lohnt sich daher, diese bedeutende Figur aus einem Blickwinkel zu betrachten, der für den christlichen Glauben grundlegend ist, nämlich aus dem der Bibel. Dabei wird deutlich, worauf die einzelnen biblischen Schriften den Akzent setzen, wenn sie von Maria sprechen.

"... geboren von einer Frau..."
Maria stillt ihr Kind; Orazio Gentileschi (1563-1639), Birmingham

Geboren von einer Frau

Den ersten Hinweis auf Maria, chronologisch gesehen, finden wir im Galaterbrief 4,4-5 (verfasst zw. 53-55 n.Chr.). Es geht hier um die schlichte Erwähnung, dass Jesus, der Sohn Gottes, von einer "Frau" geboren wurde. Dem Apostel Paulus scheint es nicht wichtig, den Namen dieser Frau bekannt zu geben. Zuerst soll klargestellt werden, dass der Sohn Gottes als ein Menschenkind in diese Welt gekommen ist, um an unserem menschlichen Schicksal in vollem Maße teil zu haben. Die Erwähnung der Geburt aus einer Frau will dabei die Zugehörigkeit Jesu zum Menschengeschlecht unterstreichen. Der Akzent wird also auf die Menschwerdung Christi gesetzt, durch die alle Menschen die Gotteskindschaft erlangt haben und vom Joch des Gesetzes befreit wurden. In diesem entscheidenden Moment der Heilsgeschichte, die Paulus als "erfüllte Zeit" bezeichnet, nimmt die "Frau" mit ihrer ureigensten Sendung einen hoch bedeutenden und unverzichtbaren Platz ein.


Wer ist meine Mutter...

Einen Schritt weiter bringt uns der Evangelist Markus, als er in seiner Frohbotschaft (verfasst um 70 n.Chr.) im Kap. 3,31-35 über die Verwandten Jesu berichtet. Hier spricht er ausdrücklich von der "Mutter" Jesu. Jesus, versammelt mit seinen Jüngern in einem Haus, wird von seiner Mutter und den Brüdern, die draußen warten, verlangt. Die Verse 20-21 leiten diese Szene ein, wobei Markus den Grund des Kommens der Angehörigen Jesu angibt, nämlich, "ihn mit Gewalt zurückzuholen; denn sie sagten: Er ist von Sinnen". Die Neuigkeit des Evangeliums lässt hier nicht lange auf sich warten, denn Jesus fragt: "Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder?" Die Antwort gibt gleich er selbst: "Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter." Ist es nun vielleicht eine Verleugnung der eigenen Mutter und Angehörigen? Der erste Eindruck soll uns nicht täuschen. Vielmehr sollten wir die neue Dimension menschlicher Beziehungen wahrnehmen, die uns Christus öffnet. Das Kriterium einer neuen Verwandtschaft mit Christus, und somit auch untereinander, ist die Erfüllung des Willens Gottes. Die Blutsverwandtschaft geht dadurch nicht verloren, sondern sie verwandelt sich in eine universelle Verwandtschaft und gewinnt noch an Qualität. Der Mittelpunkt dieser Schriftstelle liegt also in der neuen Verwandtschaftsperspektive, denn Markus berichtet nichts weiteres und wir erfahren nicht einmal, ob Jesus dann hinausging, um seiner Mutter und seinen Brüdern - die als Cousins Jesu zu verstehen sind - zu begegnen. Die unter den "Angehörigen" anwesende Mutter Jesu wird als Mutter gezeichnet, die um die Gesundheit ihres Sohnes besorgt ist. Die Vermutung: "er ist von Sinnen", kann darauf hindeuten, dass selbst die Mutter Jesu ihren Sohn nicht immer richtig verstanden hat, und deshalb musste auch sie - ebenso wie die anderen - im Christusglauben wachsen.

Der Sohn von Maria...

In einem weiteren Bericht (Kap. 6,1-6) nennt Markus den Namen der Mutter Jesu: Maria. Jesus als Verkünder der guten Nachricht kommt in seine Heimatstadt und lehrt in der Synagoge. Sein Auftreten bringt die Stadtbewohner in Verlegenheit, denn für ihre Mentalität ist es unbegreiflich, wieso der "Zimmermann", der "Sohn der Maria" und der "Bruder" seiner Brüder und Schwestern solche Weisheit und die Macht, Wunder zu tun, besitzt. Daher lehnen sie ihn und seine Frohbotschaft ab, was bestimmt auch das mütterliche Fühlen Mariens verletzt. Auch wenn die Bibel von den Schwestern Jesu spricht und seine Brüder nennt, heißt das nicht, dass es sich um "Kinder der Maria" handelt. Abgesehen davon, dass die aramäische Bedeutung von "Bruder" und "Schwester" umfangreicher ist als im europäischen Kulturbereich, wird in der Bibel nur Jesus ausdrücklich als "Sohn der Maria" bezeichnet.

fr. Fero M. Bachorík, osm