Maria in der Bibel Lukasevangelium
Die Betrachtung der biblischen Texte soll
uns dazu bewegen, dass wir in unserem Leben gute
Früchte bringen. Dies kann uns aber nur dann
gut gelingen, wenn wir die "Heilige Schrift" zum
"Wort Gottes" werden lassen, d.h., dass wir uns
nicht damit begnügen, was "geschrieben
steht", sondern uns bemühen auch
hinzuhören und zu verstehen, was das
geschriebene Wort "sagt". Erst dann kann in uns
das schöpferische Wort eine menschliche
Gestalt annehmen. Diesen Eindruck gewinnen wir
gerade beim Betrachten der Kindheitsgeschichte
Jesu im Lukasevangelium (Kap. 1-2), wo uns Maria
als Jungfrau vor Augen geführt wird, die auf
das Wort Gottes hört, darüber nachdenkt,
daran glaubt und es weiter verkündet.
Wenn wir uns die Geburtsgeschichte Jesu nach Matthäus in Erinnerung rufen, in der die Verkündigung über Josef lief, merken wir sofort den grundsätzlichen Unterschied zum Lukasbericht (verfasst um 80 n. Chr.), der für eine im heidnischen Umkreis sich bildende Kirche geschrieben ist. Die Rede ist von der Verkündigungsbotschaft (1,26-38). Empfängerin ist nämlich eine Frau: Maria, die als Jungfrau aus Nazaret vorgestellt wird. Bereits die Anrede des Engels -"Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir" (Vers 28) - besagt, dass Maria für eine besondere Aufgabe von Gott auserwählt ist. Warum erschrickt sie über die Anrede (Vers 29)? Die Engelsworte lauten im Ohr eines/r Juden/Jüdin nicht fremd. Sie lassen die Hoffnung auf das Kommen des Messias erst recht aufblühen, denn so heißt es schon beim Propheten Zefanja 3,14-17: "Juble, Tochter Zion! Jauchze, Israel! Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein Held, der Rettung bringt." Eben deshalb "überlegte" Maria, "was dieser Gruß zu bedeuten habe" (Vers 29). Sie will nicht nur bei der "Schönheit" der Anrede bleiben, sondern "überlegt", was sie persönlich mit dem Ganzen zu tun hat. Mit Hilfe des Engels - des Überbringers der Botschaft - begreift sie, dass gerade sie diese "Tochter Zion" personifiziert und es möglich machen kann, dass der ersehnte Messias, nämlich Jesus, der "Sohn des Höchsten" (Vers 32) in diese Welt kommt.
Wie soll das geschehen... ? Maria zweifelt nicht daran, dass sie ein Kind empfangen und einen Sohn gebären wird (Vers 31). Sie will jedoch wissen, "wie" es geschehen soll, da sie keinen Mann erkennt (Vers 34). Mit dem Ausdruck -"Ich erkenne keinen Mann" wird die Jungfräulichkeit Mariens stark betont. In der Bibel behauptet keine andere Frau ihre Jungfräulichkeit so eindeutig wie Maria. Darum wird diese Aussage Mariens bereits bei den Kirchenvätern interpretiert auch als Ausdruck der Absicht Mariens, Jungfrau bleiben zu wollen. Doch diese Interpretation scheint für eine hebräische Religiosität wenig zutreffend, welche ihren Weg der Heiligkeit im erfüllten Eheleben sieht, im Sinne des ersten Gebotes: "Seid fruchtbar und vermehrt euch" (Gen 1,28). Allerdings, im Moment der Verkündigung steht die Jungfrau Maria für die Frohbotschaft offen und sagt, nachdem sie die Erklärung erhält, dass der Heilige Geist über sie kommen wird (Vers 35), frei und entschieden ihr "Ja" zum Plan Gottes: "Mir geschehe, wie du es gesagt hast" (Vers 38). Selig ist die, die geglaubt hat... Die sogenannte Heimsuchungsgeschichte
(1,39-56) zeigt uns nun Maria als Verkünderin
der Frohbotschaft bei Elisabeth. Das empfangene
Wort Gottes kann unmöglich
zurückgehalten werden. Es wirkt ansteckend,
überall wo man es hinträgt. Die Freude
aus der Begegnung spürt Elisabeth um so mehr,
weil die Mutter ihres Herrn zu ihr kommt (Vers
43). Diese Szene hat viel Gemeinsames mit der
Überführung der Bundeslade nach
Jerusalem (2Sam 6,2-16), deshalb wird Maria auch
"Bundeslade Gottes" genannt. Elisabeth, vom
Heiligen Geist erfüllt, macht zwei wichtige
Aussagen über Maria: Maria ist "gesegnet
(gebenedeit, befähigt) mehr als alle anderen
Frauen" (Vers 42); und Maria ist "selig", weil sie
"geglaubt hat, was der Herr ihr sagen ließ"
(Vers 45). Der Akzent fällt somit mehr auf
den Glauben Mariens als auf ihre Mutterschaft:
Weil sie von Gott befähigt wurde sein Wort zu
vernehmen, weigerte sie sich nicht, ihm freiwillig
auch ihren Gehorsam und Glauben zu schenken. Maria
aber antwortet auf das Große, das der Herr
an ihr getan hat, in der Form eines Lobgesangs,
des Magnificat (Verse 46-55). Von dieser
Antwort Mariens ließ sich schließlich
auch die liturgische Handlung der Kirche
inspirieren: die Liturgie gedenkt dessen, was Gott
für unser Heil bewirkt hat und preist
dafür seinen Namen. Der christliche Glaube
ist von der Memoria (Gedenken) der
Heilstaten Gottes grundsätzlich geprägt.
Dies möchte der Evangelist am Beispiel
Mariens auch klar hervorheben, indem er die
Erzählungen von der Geburt Jesu und seinem
Wiederfinden im Tempel jeweils mit der Bemerkung
abschließt: "Maria aber bewahrte alles, was
geschehen war, in ihrem Herzen und dachte
darüber nach" (2,19.51).
Fr. Fero M. Bachorík, osm |