In der Glaubensschule Mariens

DIE PLÄNE GOTTES ERKENNEN

 

In der Natur des Menschen liegt das Bedürfnis, Fragen zu stellen und Antworten auf diese Fragen zu suchen. Dies können wir schon bei den kleinen Kindern beobachten; sobald sie es vermögen die ersten Fragen zu formulieren, kommen ihre Eltern bzw. ihre Erzieher mit den angemessenen Antworten nicht mehr nach. Und wenn wir Erwachsenen mit den schlichtesten und berechtigtesten Fragen des Kindes überfordert werden und keine adäquate Antwort auf solche Fragen mehr parat haben, dann blocken wir meistens die Fragestellungen des Kindes oder speisen es mit einem billigen Spruch ab. Dies betrifft auch unsere religiöse Welt, die wir dem fragenden Kind näherbringen müssten. Jedoch angesichts mancher Kindesfragen in dieser Materie werden wir selbst oft als Unwissende entlarvt, obwohl wir uns für langjährig praktizierende religiöse Menschen halten. Eine der Fragen mit der wir in jedem Lebensabschnitt kämpfen, ist jene nach dem Sinn des Lebens bzw. wozu ich lebe. Im religiösen Sinne fragt man sich dann, was der Wille Gottes für mich ist oder welche Pläne Gott mit mir hat. Möchten wir die Mutter Jesu aus diesem Blickwinkel betrachten, so müssten wir uns von der Annahme verabschieden, dass es für sie von vornherein klar gewesen sei, worin ihre Lebensaufgabe bestand. Sie selbst musste ihren Weg suchen und den Plan Gottes für sich erkennen. Es gibt zwar keine Biographie Mariens, aus der wir diesbezügliche Einzelheiten herauslesen könnten, aber wir dürfen das Zeugnis der Bibel in Bezug auf Maria aufgreifen und unter dem Aspekt der Zukunftsorientierung Mariens betrachten.

Als Ausgangspunkt für diese Betrachtung kann uns der Hinweis dienen, dass Maria mit Josef verlobt war (vgl. Mt 1,18 und Lk 1,27). Dies ist auch die erste Auskunft, die uns in den Evangelien in Bezug auf Maria überliefert wird. Aus dieser Feststellung dürfen wir davon ausgehen, dass Maria, ähnlich wie die meisten Mädchen ihrer Zeit, eben keine außerordentlichen Lebenspläne hatte. Es stand nur der eine natürliche Wunsch am Plan: Einen Mann zu heiraten, mit dem sie eine Familie gründen kann. Im Prinzip ist es eine Vision von einer exklusiven Beziehung, die selbstbestimmend sein sollte. Jedoch die Wirklichkeit bezeugt etwas anderes. Noch bevor alles richtig beginnt, steht Gott mit einem anderen Plan da und wirbt bei dessen Verwirklichung um das Verständnis und die Zusammenarbeit des Menschen. Nicht nur Maria (vgl. Lk 1,26-38), sondern auch Josef (vgl. Mt 1,19-24) wird ermutigt diesen Plan Gottes mitzutragen. Der weitere Verlauf dieser Geschichte ist uns bekannt und wir können nur so viel bemerken, dass es weder für Maria noch für Josef leicht war den Weg mit Jesus nach Gottes Plan zu gehen. Es bleibt aber die Frage: "Wie erkennt man, dass es um den Plan Gottes geht?" Sowohl für Maria als auch für Josef scheint der Plan Gottes aus einer Übereinstimmung zwischen ihrem Glauben und ihrer Selbsterkenntnis zu resultieren. Die Evangelien formulieren es so, dass sowohl Maria als auch Josef über diese Dinge nachdachten (vgl. Mt 1,20 und Lk 1,29) und erst dann ihre Entscheidung getroffen haben (Mt 1,24 und Lk 1,38). Zwar wird dabei ein Entscheidungshelfer - der Engel des Herrn - erwähnt, jedoch wie Maria so auch Josef muss diese Entscheidung für sich treffen. Denn, ihnen beiden war aus ihrer religiösen Erziehung bekannt, dass ihr Volk einen Messias erwartet, der geboren werden muss. Und aufgrund ihrer Selbsterkenntnis haben sie die Grundentscheidung getroffen, dass keiner von beiden für sich allein leben will, sondern sich in Liebe dem anderen schenken möchte. Sie haben ebenso verstanden, dass die Liebe, die sie füreinander hatten auch einem neuen Leben gegenüber offen sein muss. Daher schien es ihnen zumutbar zu diesem ungeplanten Kind, nämlich Jesus, ja zu sagen. Und sie beide haben es für sich als den Plan Gottes erkannt.

In unserem Leben stehen wir immer wieder vor Entscheidungen und suchen nach dem Weg, der uns zugedacht ist. Oft erwarten wir uns dabei auch eine Entscheidungshilfe "von oben" oder von einem "Engel des Herrn". Jedoch, die biblische Sprache soll uns nicht irritieren und wir brauchen uns nicht zu beschweren, dass uns kein Engel geschickt wird, um uns zu sagen, wo es lang geht. Denn wir alle kennen diesen Engel als "Stimme des Herzens" oder "Stimme des Gewissens". Und wir begegnen auch erfahrenen Menschen, die uns mit ihrem Rat unterstützen. Aber die persönliche Entscheidung kann uns niemand abnehmen, denn die muss von uns allein getroffen werden. Der Plan Gottes beinhaltet, dass wir zu unseren Lebensentscheidungen stehen, selbst und vor allem dann, wenn es unbequem wird oder wenn Unvorhersehbares dazu stößt. Eigentlich verstehen wir erst in solchen Situationen, dass der Plan Gottes darin besteht, nicht uns selbst, sondern die anderen in den Vordergrund zu stellen. Dies hat uns Maria als Mutter Jesu bezeugt.

fr. Fero M. Bachorík OSM