Maria in den Texten des Ordens Marienverehrung in der Ursprungslegende
Beginnend mit dem Jahr 1233 berichtet die
Ursprungslegende der Serviten über die sieben
ersten Ordensväter und schildert die weitere
Entwicklung der neuen Ordensgemeinschaft bis zum
Jahr 1267.
Der vorhandene Text dieser Legende dürfte kurz nach 1317 durch den damaligen Ordensgeneral der Serviten Pietro da Todi verfasst worden sein. Eine der typischen Charakteristiken jeder Legende ist, dass sie etwas „beweisen“ möchte. In unserem Fall ist der Verfasser bemüht „Beweise“ zu liefern, dass der Servitenorden direkt durch die heilige Jungfrau gegründet worden sei, die sich dazu sieben Männer ausgesucht habe, welche mit sieben Gaben des Heiligen Geistes einzigartig ausgestattet gewesen wären. Auf den Wunsch der Jungfrau soll „ihr“ Orden auf besondere Weise durch die Lehre und Heiligkeit ihres Dieners Philipp erleuchtet worden sein, dessen Geburtsjahr der Verfasser mit dem Entstehungsjahr des Ordens übereinstimmen ließ; ähnlich wird in der Legende auch mit anderen Daten und Ereignissen umgegangen. Abgesehen von der geschichtlichen Verlässlichkeit der verschiedenen Angaben, kommt in dieser Legende eine marianische Ausprägung zu Tage. Bereits die Widmung dieser Legende macht es deutlich: „Zum Lob der Jungfrau Maria, der Mutter Jesu Christi.“ Es bedeutet also, dass die Jungfrau Maria im Leben der Serviten und in der Geschichte des Ordens von Anfang an eine wichtige Rolle spielte. Wie wird nun die Jungfrau Maria der Legende nach in dem erwähnten Zeitalter von ihren Dienern betrachtet und verehrt? Sie wird zuerst als die „Mutter und Herrin“ ihrer Diener gesehen, insofern sie die „Mutter des Herrn“ ist. Als solche hat sie die Macht, bei ihrem Sohn den Menschen eine konkrete Gunst zu vermitteln, und zwar „Barmherzigkeit für die Sünder, Gnade für die Gerechten und Verherrlichung für die Diener ihres Sohnes“. Ihre Diener sind dagegen „verpflichtet als Heilige vor ihr zu erscheinen und mehr Werke der Heiligkeit zu tun als die anderen“ und sie sollen sich „vor allem um ein lauteres Herz bemühen“. Man merkt, dass diese Marienverehrung stark auf die Buße ausgerichtet ist. Das Bewusstsein der Unvollkommenheit scheint jene Zeitgenossen beachtlich beschäftigt zu haben. Sie suchen instinktiv nach einem befreienden und tröstenden Ausweg. Die Diener Mariens beschließen aus diesem Grund sich „zu Füßen der Königin des Himmels“ zu begeben, „damit sie sie als Mittlerin und Fürsprecherin mit ihrem Sohn versöhne und sie ihm anempfehle, mit ihrer reichen Liebe ihre Unvollkommenheit zudecke und ihnen mitleidig die Fülle der Verdienste erlange“. Sie sind überzeugt, dass sie bei Maria, der Mutter des Herrn, Mitleid und Zuflucht finden, weil sie selbst schmerzliche Erfahrungen machen musste, indem sie mit ihrem Sohn aus Liebe gelitten hat. Die aus der Liebesbeziehung herrührenden Schmerzen sind ein weiterer Aspekt in der Verehrung Mariens. Die Legende spricht in diesem Zusammenhang von einer Vision, in der die heilige Jungfrau einen Habit zeigt, den ihre Diener als „äußeres Zeichen der Demut“ Mariens tragen sollen und als „einen klaren Hinweis dessen, was sie beim bitteren Leiden ihres Sohnes litt“. Und hier beginnt die eigentliche Verehrung, indem der Mensch bemüht ist, selbst die schmerzenden Gefühle der geliebten und verehrten Person aus ganzem Herzen zu teilen. Diese Haltung haben die ersten Serviten im Bezug auf Maria eingeübt und gleichzeitig auch in ihren Beziehungen mit den anderen zum Ausdruck gebracht. In der Ausübung der Liebe zum Nächsten „waren sie vor allem bemüht dessen Nöte zu erfahren. Mit liebevollem Mitleid begegneten sie dem Schmerz der anderen und nach ihren Möglichkeiten halfen sie den Armen in all ihren geistigen und materiellen Nöten.“ Beachtenswert ist diese Dynamik der Marienverehrung: Nicht die Verehrung ist das Ziel, sondern der Dienst an den Mitmenschen. Wenn die Sieben Ordensväter nur bei dem emotionellen Aspekt der Verehrung – „O, wie schön!“ „O, wie traurig!“ - stehen geblieben wären, hätten sie kaum den Namen „Diener Mariens“ tragen dürfen. Die Legende behauptet sogar, dass die selige Jungfrau für die beabsichtigte Gründung ihres Ordens diese Männer nicht erwählt hätte, wenn sie schon vorher den „Gipfel der Heiligkeit“ nicht erreicht hätten. Denn sie waren durch ihren „Gottesdienst“ bekannt, mit dem sie Gott in „Gedanken, Worten und Werken“ ehrten und sich so auf das Gemeinschaftsleben nach den evangelischen Räten vorbereiteten, um sich „ausschließlich dem Dienst unserer Herrin zu übereignen“. fr. Fero M. Bachorík OSM |