Maria in den Texten des Ordens Marienverehrung in der "Legende des seligen Philippus"
Vom Leben des hl. Philippus Benitius
(1233-1285) aus dem Servitenorden wird in mehreren
Legenden berichtet. Die ersten Erwähnungen
findet man in der Ursprungslegende des
Servitenordens, die zum Teil Elemente für die
späteren Philippus-Legenden liefert. Es
handelt sich um drei folgende Legenden: Die erste
Legende von einem unbekannten Verfasser,
vermutlich aus der Zeit zwischen 1320-1350, ist in
einem Codex bei der Bibliothek Augusta in Perugia
bezeugt. Deshalb wird sie „Legende von Perugia“
genannt. Eine zweite Legende von Hieronymus de
Binagio aus dem Jahre 1353 wird bei der
Universität in Sheffield aufbewahrt und
trägt deshalb den Namen „Legende von
Sheffield“. Die dritte Legende, so genannte
„vulgata“, aus der Zeit zwischen 1375 und 1380 war
unter dem Volk am meisten verbreitet und gilt
daher als die eigentliche „Legende des seligen
Philippus“. Ihr Verfasser ist wahrscheinlich der
damalige Ordensgeneral der Serviten Andrea von
Faenza.
Während sich die zwei früheren Philippus-Legenden kaum mit dem Aspekt der Marienverehrung befassen, berichtet die letztere einiges von der Beziehung des Seligen zur heiligen Jungfrau. Diese Legende berichtet, dass Philippus aus einer wohlhabenden Familie stammte und die notwendige Ausbildung erhielt, die es ihm ermöglichte, schon als Junge das Offizium der seligen Jungfrau rezitieren zu können. Mit dem Offizium ist ein genau strukturiertes liturgisches Gebet gemeint, das von der einzelnen Person oder in der Versammlung gebetet werden kann, und dessen Inhalt marianisch geprägt ist. In der Regel setzt es sich aus einem Hymnus, drei Psalmen, einer kurzen Schriftlesung, Fürbitten, dem Schlussgebet und einem Grußlied an die Jungfrau zusammen. Diese Form der Marienverehrung gilt als biblisch verankert und christozentrisch. Gemäß der Legende erscheint die Jungfrau Maria im Leben des Benitius als eine Wegweiserin, die ihm hilft, seine Lebensberufung zu entdecken und zu verwirklichen. Die Begegnung mit der Jungfrau kommt für Philippus durch das Hören des Wortes Gottes zustande. Während einer Eucharistiefeier hörte er die Worte der Lesung: „Geh und folge diesem Wagen“ (Apg 8,29). Die Legende berichtet, dass er bei der Betrachtung dieser Worte in Entrückung geriet und eine Vision hatte. Er sah einen goldenen Wagen mit vier Rädern, auf dem die selige Jungfrau saß zusammen mit vielen Engeln und Heiligen. Ihr schwarzer Mantel bedeckte jenen Ort. Ein Lamm und ein Löwe zogen den Goldwagen und eine weiße Taube flog über ihnen umher. Der selige Philippus eilte dem Wagen nach. In der folgenden Nacht sah er wiederum die Jungfrau, die zu ihm sprach: „Philipp, geh zu meinen Dienern, nämlich zu den Brüdern, die Diener der heiligen Maria genannt werden“. Nach dieser Aufforderung begab sich Philippus zu den Serviten in Florenz und bat um das Gespräch mit dem Prior Bonfilius, der ihm den Sinn seiner Vision genau deuten konnte. Er erklärte ihm, dass der Goldwagen den Orden der seligen Jungfrau meint, und dass die Räder die vier Evangelien als Fundament unseres Lebens darstellen. Die Tiere versinnbildlichen die Eigenschaften, die ein Diener Gottes haben soll: Sanftmut (Lamm), Stärke (Löwe) und Schlichtheit (Taube). Das Resultat des Gesprächs war, dass Philipp Servit wurde. Seine Berufung als Diener Mariens lebte er in tiefster Demut, zuerst als Laienbruder, später auch als Priester und Ordensgeneral. Auf ihn geht die älteste Definition des Ordens zurück, die uns ebenfalls von derselben Legende überliefert wurde: „Wir nennen uns Diener der glorreichen Jungfrau, deren Witwenkleid wir tragen. Wir ahmen das Lebensbeispiel der heiligen Apostel nach und bemühen uns nach der Regel des heiligen Lehrers Augustin zu leben“. In dieser Definition widerspiegelt sich der Geist der Marienverehrung, die als solidarische Beziehung mit der Mutter des Herrn zu betrachten ist. Diese Solidarität wird erstens durch den Dienst zum Ausdruck gebracht: Wer im Dienste Mariens steht, tut Werke, die Maria als Mutter und Jüngerin Jesu getan hat, indem sie ihre ganze Aufmerksamkeit dem Plan Gottes und seiner Frohbotschaft in den Dienst stellte. Die zweite Ausdrucksform der Solidarität mit Maria - das Witwenkleid - betrifft die Gesinnung: Man versetzt sich in die Gefühlswelt Mariens, die ihren Sohn - den Glaubensbräutigam - verliert und ihm nachtrauert. Hier wird ein typisch mittelalterliches Muster der Marienverehrung gezeigt, welches durch die Serviten parallel mit der Tradition der Apostel und der Kirchenväter gepflegt wird. Zum Schluss stellt die Legende Maria als Helferin in Not dar, als sie auf die Bitte des hl. Philippus ihren hungernden Dienern Nahrung besorgt. Kein Wunder, dass Maria in diesem Sinne auch in unserer Zeit immer noch „gefragt“ wird. fr. Fero M. Bachorík OSM |