verfasst: im Januar 2008

Zur Bedeutung des Ordensnamens

"Diener Mariens" - "Serviten"

von fr. Gottfried M. Wolff, Provinzial


Der lateinische Name, den unsere heiligen Sieben Väter ihrem Orden gegeben haben, ist „Servi Mariae“ – in ihrer italienischen Muttersprache „Servi di Maria“.

Wir übersetzen dieses „Servi Mariae“ heute in unserer Muttersprache mit „Diener Mariens“. Zugegeben eine „weiche“ Übersetzung, kann doch das lateinische Wort „servus“ auch mit „Knecht“ oder „Sklave“ übersetzt werden. Folgerichtig übersetzten unsere Vorfahren, die Serviten der mittelalterlichen deutschen Provinz, mit dem damals gebräuchlichen Ordensnamen „Marienknechte“. Eine weitere – und bekanntere – Übersetzung unseres Ordensnamens ist in unserer deutschen Sprache das Wort „Serviten“. Dieser Begriff taucht zum ersten Mal in der Neuzeit auf. In Analogie zum damals neuen Orden der „Societas Jesu“ („Gesellschaft Jesu“), deren Name mit „Jesuiten“ eingedeutscht wurde, entstand der für unseren Orden gebräuchlichste Name „Serviten“. Eine nicht ganz glückliche Wahl, die aber aus den genannten historischen Gründen zu akzeptieren ist: bedeutet doch das lateinische Wort „serviti“ „die Bedienten“ und nicht „die Diener“, was Lateinkundige, aber manchmal wenig mit Geschichte und Spiritualität unseres Ordens Vertraute irritieren kann.

Ein Sprichwort sagt: „Nomen est omen.“ Was ist die Bedeutung, die unsere Väter mit der Namenswahl „Diener Mariens“ zum Ausdruck bringen wollten? Wie sie uns selbst überliefern, wussten sie sich auf ihrem Berufungsweg mit Gott ein Leben lang immer von Maria geführt und beschützt. Sie nannten sie ihre „Herrin“ und waren aufgrund der durch sie erfahrenen Führung und Hilfe überzeugt, dass nicht sie, sondern Maria selbst den Orden gegründet hätte. Der Grundgedanke, der sie dabei leitete, war der Folgende: Diener und Herr(in) stehen in einem engen, gegenseitigen Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnis: der Diener nährt seine Motivation zum Dienen aus dem sicheren Vertrauen, dass der Herr ihm Führung und Schutz gewährt, wie wiederum der Herr seine Motivation zu führen und zu schützen aus dem sicheren Vertrauen auf die unverbrüchliche Treue des Dieners nährt. Eingebettet war diese Sicht in das im Mittelalter noch nicht hinterfragte ständische Denken, in dem alle Stände, vom Leibeigenen über den Ritter bis hin zum König und Kaiser, in einem auf Abhängigkeit und Vertrauen basierenden Verhältnis zueinander standen. Auf dem Hintergrund dieser Weltsicht, in der unsere Väter lebten, beschreiben die Ordenshistoriker die Intention der Sieben für die Namensgebung wie folgt: Wir gehören keiner weltlichen Person oder Macht an, ob innerhalb oder außerhalb der Kirche! Wir gehören Maria an und sind ihre Diener, die uns ihre Führung und ihren fürbittenden Schutz gewährt und uns anleitet, in rechter Weise Gott und den Menschen zu dienen!

Zugegeben, das beschriebene Lebensgefühl der mittelalterlichen Ständegesellschaft existiert in unserer Zeit nicht mehr. Und doch hat das Lebens- und Glaubensgefühl unserer Sieben Gründer auch heute Gültigkeit, wurzelt es doch in seinen Grundlinien auf den Fundamenten unserer Religion und unseres Glaubens, der uns sagt: Durch die Taufe sind wir befähigt und berufen, Gott durch ein Leben nach den christlichen Geboten treu zu dienen. Die Kraft dazu erfahren wir im sicheren Vertrauen, dass Gott uns seine Führung und seinen Schutz gewährt, wie es die Kirche mit den Worten des Psalmenbeters seit Israel betet: „Der Herr ist meine Kraft und mein Schild, mein Herz vertraut ihm“ (Ps 28,7). Was in diesen Zeilen zum Ausdruck kommt, ist, dass christliches Leben, Leben aus dem Glauben, immer ein Leben in Beziehung ist – der Glaubende steht in einer Beziehung zu Gott, dem er durch ein treues Leben dient und dessen Führung und Schutz er sich anvertraut. Und weil es keine Beziehung zu Gott ohne die Beziehung zum Nächsten gibt, sieht der Glaubende auch jeden Menschen als Geschöpf Gottes, den er liebt und dem er dient!

Einzugehen gilt es noch kurz auf den Einwand, ob sich unsere Väter, indem sie sich Maria als ihrer „Herrin“ anvertrauten, nicht doch von Gott und Jesus, dem Herrn, abgewandt hätten. Widerlegt ist dieser Einwand schnell durch das überlieferte Glaubensgedächtnis der Kirche, das sagt: „Maria führt immer zu Jesus!“ Wie könnte auch Maria, die sich selbst „serva“ – Magd, Dienerin – des Herrn nennt und Jesus, ihren göttlichen Sohn, zu den Menschen und in die Welt gebracht hat, anderes tun, als die Menschen zu Jesus zu führen!

Wie schon eingeräumt ist die in der Namensgebung des Ordens ausgedrückte Welt- und Glaubenssicht unserer Ordensgründer heute vielen obsolet. Beziehungswerte, wie Abhängigkeit, Dienst und Vertrauen haben einen schweren Stand in einer Welt, in der das „Hilf dir selbst und du lebst länger!“ regiert. Und doch: Religion heißt übersetzt „Zurückgebundensein“. Religion ist Bindung, Gebundensein.

Und weil ich glaube, dass die Sieben Heiligen Väter unseres Ordens uns dazu etwas zu sagen haben – auch heute –, möchte ich Sie, liebe Leserinnen und Leser, mit den vorangegangen – zugegeben nur kurz und bruchstückhaft skizzierten – Gedanken zu einer kleinen Besinnung auf unsere religiösen Wurzeln einladen:

Trauen wir Gottes Führung und Schutz mehr zu als unseren eigenen und anderen Mächten? Sind wir bereit, Gott und den Menschen großherzig zu dienen und eigene Interessen hinten an zu stellen? Sind wir „zurückgebundene“, das heißt religiöse Menschen, die dankbar ihr Leben in Beziehung zu Gott und den anderen leben, oder haben wir Angst vor Bindung und Gebundensein?

Zugegeben, so gesehen ist es nicht immer leicht, ein „religiöser“ Mensch zu sein. Unsere Ordensväter haben es gewusst und sich deshalb Maria anvertraut. Sie hat ihnen geholfen – sie hilft auch uns!