verfasst: im September 2011


Wie die Serviten vor 400 Jahren nach Innsbruck kamen 

In diesem Jahr feiern wir Serviten der Tiroler Provinz das 400-jährige Jubiläum der Anfänge unserer Präsenz in Innsbruck und damit des Neuanfangs des Lebens unseres Ordens nach der Reformationszeit in den Ländern nörd- und östlich der Alpen. Hinter den entscheidenden Ereignissen in den Jahren 1611-1613 stehen, wie immer, einzelne Menschen mit ihren Motivationen, Träumen und Taten. Blicken wir zurück ins Jahr 1611 und schauen wir mit Dankbarkeit auf die Menschen, die damals das Rad der Geschichte zugunsten unseres Ordens gedreht haben.

Wie nicht selten in der Weltgeschichte spielt auch bei der Gründung des Innsbrucker Klosters eine Frau die Hauptrolle. Es war die Erzherzogin Anna Catharina Gonzaga von Mantua, Witwe (ihr Mann Erzherzog Ferdinand II. von Österreich starb 1595) und Mutter von drei Töchtern. Sie war eine einflussreiche und zielstrebige Frau, erfüllt mit brennendem Eifer für die Erneuerung des katholischen Lebens nach dem Wirbelsturm der Reformation. So förderte sie auch die neuen Gründungen in Innsbruck, wie z.B. der Kapuziner und Jesuiten, aber ihr noch größerer Wunsch war es, mit dem eigenem Leben an der kirchlichen Reform teilzunehmen. Sie entschloss sich, selbst ein Nonnenkloster zu gründen und eigene Konstitutionen für ihre Schwestern zu verfassen. Der Grundstein des Frauenklosters wurde schon 1607 gelegt, dazu kam etwas später noch ein so genanntes „Regelhaus“ für Ordensschwestern ohne strenge Klausur und Armutsgelübde. In dieses Haus trat sie als Sr. Anna Juliana zusammen mit ihrer Tochter (Ordensname „Anna Katharina“) selber ein. Der neuen Schwesterngemeinschaft gab sie den Namen „Dienerinnen unserer Lieben Frau und Jungfrau“. Interessant ist, dass sie diesen Namen ausgesucht hat, ohne die Serviten zu kennen, obwohl es in ihrer Heimatstadt Mantua ein Servitenkloster gab. Diese wurden dort jedoch „Barnabiten“ genannt, da die Servitenkirche dem hl. Barnabas geweiht war.

Im Mai 1611 weilte ein italienischer Servit, fr. Pietro Martire M. Felini, einige Tage in Innsbruck, als er von einer diplomatischen Mission am Hof des bayrischen Herzogs nach Rom zurückreiste. Er war damals vermutlich der einzige Servit, der der deutschen Sprache mächtig war. Er war auch dem letzten Bruder der alten deutschen Provinz, fr. Cancianus, in Rom begegnet, als dieser dort völlig überraschend im Dezember 1607 auftauchte. Fr. Felini wurde in Innsbruck zur Besichtigung des neugebauten Klosters eingeladen, begleitet von seinem Landsmann, dem Kapuziner fr. Nikolaus Barchi, der der Beichtvater der Erzherzogin Sr. Anna Juliana war. Im Gespräch kamen sie auch auf den Namen der neuen Schwestern zu reden und waren sehr überrascht über die verblüffende Ähnlichkeit des Ordensnamens der Brüder und dem der Schwestern. Fr. Felini bekam daraufhin eine mehrstündige Audienz bei der Erzherzogin, in der er ausführlich über das Leben der Diener Mariens – Serviten – in Italien berichtet hat. Die Erzherzogin war begeistert und wollte unbedingt die Serviten auch in ihrer Stadt Innsbruck haben. Sie setzte ihr Vorhaben sofort in die Tat um und schickte mit fr. Felini ein Schreiben nach Rom, in dem sie den Servitengeneralprior um die Aufnahme von P. Nikolaus Barchi in den Servitenorden bat. Es dauerte nicht lange und er wurde als Bruder Joseph Maria am 25. Oktober 1611 auf Maria Waldrast (damals noch nicht im Besitz der Serviten) als Servit eingekleidet.

Die beiden nächsten Jahre haben die erste Blüte der servitanischen Ordensfamilie in Innsbruck gesehen. Am Fest der Heimsuchung Mariens am 2. Juli 1612 zogen die ersten Schwestern in das neue Visitationskloster ein, unter ihnen auch die Erzherzogin mit Tochter. Im Oktober kehrte P. Barchi aus seinem Noviziat in Mantua mit einem weiteren Bruder nach Innsbruck zurück, um hier die neue Servitengemeinschaft zu gründen. Im Laufe des folgenden Jahres kamen noch drei weitere Brüder aus Italien dazu und im Oktober wurde der Grundstein der neuen Servitenkirche feierlich gelegt. Am 21. November 1613 legten die ersten Schwestern ihre Gelübde ab und am gleichen Tag wechselten die in Innsbruck bereits lebenden Serviten ihren Ordenshabit für den der Serviten-Eremiten von Monte Senario, die sich durch strenge Lebensführung ausgezeichnet haben. Dieses Ereignis kann man als die Geburtsstunde der Deutschen Observanz bezeichnen, eine Lebensform, die die servitanische Präsenz in unseren Ländern für weitere drei Jahrhunderte geprägt hat.

Der Historiker und ehemalige Servit Prof. Chris Mooney hat beim Provinzkapitel 2010 einen interessanten Vortrag über die Geschichte und Spiritualität der Deutschen Observanz gehalten. Dieser Vortrag wurde, ergänzt durch eine Abhandlung von Provinzial P. Gottfried M. Wolff über die Gründung der Serviten in Innsbruck, publiziert. Die Festschrift „400 Jahre Serviten in Österreich“ kann gegen eine freiwillige Spende beim Provinzialat bezogen werden (Maria-Theresienstraße 42, 6020 Innsbruck; oder: serviten@serviten.at).

Fr. Aleš M. Doskocil OSM