verfasst: im November 2008

"Ich bin gekommen, um zu danken!"

Ein Gespräch mit Bischof Juan M. Augurto OSM, Chile

Anlässlich des Ad-limina-Besuchs der chilenischen Bischöfe Ende November kam auch Bischof Juan M. Agurto OSM nach Italien. Er ist einer der vier „Servitenbischöfe“ in Lateinamerika, die derzeit im Amt sind. Am 17. und 18. November besuchte er Adveniat in Essen und das Generalvikariat der Erzdiözese Köln. 

Herr Rainer von Adveniat, Bischof Juan M. Augurto und P. Giuesppe M. Corradi in der Adveniatkapelle in Essen
Herr Bischof, was führt Sie nach Essen und Köln?

Ich bin gekommen um zu danken. Adveniat sowie die Erzdiözese Köln unterstützen seit vielen Jahren die pastorale Arbeit in meiner Diözese. Diese Hilfe reicht vom Kauf von Autos oder Booten für die Priester bis zur Ausbildung der Katecheten und zum Bau von Kirchen und Kapellen. Seit einiger Zeit haben wir auch ein eigenes Radioprogramm. Es ist mir ein Anliegen, mich persönlich bei unseren Projektpartnern zu bedanken und bei allen Katholiken, die diese Missionswerke unterstützen. Es ist eine beeindruckende Form von katholischer im Sinne von weltumspannender Gütergemeinschaft. 

Sie sind Servit, gebürtig aus Santiago de Chile. Papst Johannes Paul II. hat Sie 2001 zum Koadjutor der Diözese San Carlos Ancud ernannt, seit 2005 sind Sie Bischof dieser Diözese. Was bedeutet das für Sie?

Diese Ernennung kam für mich sehr überraschend und bedeutete eine große Umstellung. Ich war es ja gewohnt, in Gemeinschaft zu leben und gemeinschaftlich zu arbeiten. Plötzlich war ich allein und musste allein viel Verantwortung tragen. In der Diözese Ancud gibt es leider kein Servitenkloster, sodass ich keinen Anschluss mehr an eine Gemeinschaft habe. Meine servitanische Spiritualität hilft mir aber sehr: „Mir geschehe nach deinem Wort“, dieses “Ja” Mariens habe ich zu meinem Wahlspruch gemacht. Als Bischof erfahre ich oft meine ganz persönlichen Grenzen, andererseits darf ich auch sehr schöne Erfahrungen machen. Die Menschen zeigen mir viel Zuneigung, Sie suchen in mir irgendwie eine Verbindung zu Gott. Ich segne viel und spüre, wie die Menschen nach dem Segen Gottes hungern.

Können Sie uns etwas über Ihre Diözese erzählen?

Die Diözese San Carlos Ancud liegt im Südosten Chiles, an der Küste des pazifischen Ozeans. Sie besteht aus der Hauptinsel Chiloé, unzähligen kleinen Inseln und einem Teil der Region de los Lagos auf dem Festland. Sie ist etwa 20.000 km2 groß. Chiloé, nach Feuerland die zweitgrößte Insel Chiles (s. Grafik rechts; Quelle: Wikipedia), ist bekannt wegen der unzähligen urtümlichen Holzkirchen. Viele von ihnen wurden in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen. Von den ca. 170.000 Menschen, die in meiner Diözese leben, sind etwa 80% katholisch. Derzeit arbeiten in der Diözese 15 Diözesan- und 17 Ordenspriester sowie viele Ordensschwestern.

Worin sehen Sie die größten Herausforderungen in der pastoralen Arbeit in Ihrer Diözese?

Da denke ich sofort an die Ausbildung der Laien. Wir sind auf sie angewiesen. Sie leiten oft die Gemeinden, die nur selten von einem Priester besucht werden können. Manchmal erweckt es den Anschein, als seien sie Leiter einer Gruppe oder Gewerkschaftsführer. Sie brauchen aber auch eine pastorale und theologische Ausbildung, damit sie wirklich geistliche Leiter der Pfarrgemeinden sein und so das gesellschaftliche Leben mitgestalten können. Zudem glaube ich, dass wir das ständige Diakonat fördern müssen, weil wir viel zu wenig Priester haben. Die Frage der Berufungen ist eine große Sorge bei uns. Eine fruchtbare Jugendpastoral ist eine weitere Herausforderung, vor der wir stehen.

Sie sind das erste Mal in Deutschland. Was ist Ihr erster Eindruck?

Hm, das ist schwierig. Zunächst sehe ich natürlich eine im Vergleich zu meinem Land sehr entwickelte Gesellschaft. Ich habe gehört, wie sehr die Städte in Deutschland und besonders hier im Ruhrgebiet im zweiten Weltkrieg zerstört worden sind. Ich bin tief beeindruckt, dass man heute davon nichts mehr sieht, dass alles wieder aufgebaut worden ist. Diese Schaffenskraft, dieser starke Wille ... Ich sehe darin eine Kraft der Heilung, die ich mir auch an anderen Orten wünschen würde, wo heute Zerstörung am Werk ist.

Gibt es neue Projekte, die Sie jetzt bei Adveniat vorstellen?

Ja, schon, aber, wie gesagt, der erste Zweck meines Besuches ist der zu danken! Für mich ist der persönlich Austausch wichtig. Unsere Projektpartner haben uns ja auch in Chile besucht. Wir stehen aber vor einer neuen Aufgabe, wo wir Unterstützung brauchen. Die Stadt Chaitén liegt am Fuße eines Vulkans, der im Mai 2008 wieder aktiv geworden ist und Unmengen Asche ausgespuckt hat, die jetzt wie ein dicker Teppich über dem ganzen Gebiet liegt. Die Behörden haben die Stadt evakuiert, sie gleicht einer richtigen Geisterstadt. Die Menschen sind in Notunterkünften untergebracht. Wir müssen für sie sorgen, einige werden in die Stadt zurückkehren, andere müssen sich anderswo eine neue Existenz aufbauen. Da brauchen wir Hilfe. Nochmals ein herzlicher Dank an alle, die uns helfen!