verfasst: im Juli 2005
Kinder- und Organhandel in Nampula, Mosambik
Vom 5.-8. Juli 2005 organisierte MISSIO-AUSTRIA in Wien im Kardinal-König-Haus einen Internationalen Missionsstudientag zum Thema „Ware Mensch. Das Geschäft mit der modernen Sklaverei“. Die rund 100 TeilnehmerInnen setzten sich in Vorträgen und Workshops mit den verschiedensten Facetten des modernen Menschenhandels auseinander, besonders mit den dramatischen Problemen des Frauen- und Kinderhandels, des Organhandels und der Arbeitsmigration. Schätzungsweise 200 Millionen Menschen fallen heute extremer Ausbeutung zum Opfer oder werden wie Waren gehandelt. Einer der Referenten war der Servitenpater Patrick M. Carroll, Generalsekretär der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden, dessen Beitrag großen Nachklang in den kirchlichen Medien in Österreich fand. Er berichtete von den grausamen Vorfällen von Kindesentführungen und tötungen in Nampula im Norden von Mosambik sowie von der Kampagne unseres Ordens. Kindestötungen in Mosambik Es begann damit, dass seit dem Jahre 2002 in der Umgebung von Nampula, wo Servitinnen-Schwestern wirken, vermehrt Kinder und Jugendliche verschwanden. Von vielen von ihnen fehlt seither jegliche Spur, von anderen fand man die Leichen. Sie waren durchwegs aufgeschnitten, Organe waren entnommen, die Geschlechtsorgane fehlten. Ob es sich um rituelle Tötungen im Zusammenhang von Fruchtbarkeitskulten oder um andere Verbrechen handelt, konnte nie aufgeklärt werden. Ebenso nicht, was mit den verschwundenen Kindern passiert war: Sind sie ins Ausland verschleppt und der Kinderarbeit, der Prostitution oder der Organhandelmafia zugeführt worden? Die Schwestern Servitinnen brachten die Vorfälle zur Anzeige und baten die Behörden um Hilfe und Schutz. Diese verweigerten aber jegliche Mithilfe. Vielmehr begann in den lokalen und nationalen regierungsnahen Medien eine Hetzkampagne gegen die Schwestern. Internationale Menschenrechtsorganisationen stellten sich jedoch ebenso wie der Bischof von Nampula demonstrativ hinter die Schwestern, die sogar Morddrohungen erhielten. Als sich die Schwestern an die Generalleitung des Ordens wandten mit der Bitte um Hilfe, startete das Generalsekretariat für Gerechtigkeit und Frieden eine internationale Unterschriftenkampagne. Fernsehteams und Medienvertreter aus Italien, Spanien, Portugal und Österreich reisten nach Mosambik. Ende April 2004 wurden in Rom dem Präsidenten der EU-Kommission, Romano Prodi, sowie Vertretern der italienischen Regierung und diverser Menschenrechtsgruppen 180.000 Unterschriften überreicht. So konnte durch internationalen Druck die Regierung von Mosambik schließlich bewegt werden, konkrete Schritte gegen diese menschenverachtende Kriminalität zu unternehmen.
P. Patrick kam jedoch zum ernüchternden Schluss: „Auch wenn in der Gegend von Nampula derzeit weniger Fälle von Kindestötungen beobachtet werden, hat sich das Problem nur verlagert, denn aus anderen Gegenden von Mosambik erreichen uns weiterhin erschreckende Nachrichten.“ P. Patrick äußerte die Vermutung, dass viele der entführten Kinder ins Ausland verkauft werden, wo ihre Organe bei traditionellen afrikanischen Riten verwendet werden. Ebenso sei es aber möglich, dass Kinder lebend verkauft und an Orten gefangen gehalten werden, wo sie später unter hygienischen Bedingungen als Organspender fungieren müssten. „Weil dieser Handel jedoch im Geheimen stattfindet, ist er schwer nachweisbar“, so P. Patrick. Mosambik ist jedoch nur ein Stein im Puzzle des globalen Kinderhandels. Die Notwendigkeit von Bewusstseinsbildung Wie weitere Referenten bei der Missio-Tagung aufzeigten, wächst das Problem des Kinder- und Frauenhandels besonders auch in den osteuropäischen Ländern, wo mehr und mehr Minderjährige und Frauen zur Prostitution gezwungen werden, meist in den Grenzgebieten zu den westeuropäischen Staaten. P. Patrick forderte deshalb, dass es notwendig ist, besonders auch in unseren Ländern einen breiten Bewusstwerdungsprozess anzustoßen, um auf das Problem der Nachfrage hinzuweisen und die Gründe hierfür zu erforschen. „Es ist wichtig, die Opfer zu dekriminalisieren und die Aufmerksamkeit auf die Täter zu lenken, sowohl auf die, die mit diesen Verbrechen Geschäfte machen, aber auch auf die Konsumenten. Wo es keine Nachfrage gibt, besteht auch kein Angebot. Es ist jedoch eine besorgniserregende Tatsache, die uns alle beunruhigen sollte, dass die Nachfrage, die das Geschäft mit solchen Verbrechen gegen Kinder und Frauen blühen lässt, vorwiegend aus unseren eigenen wohlhabenden Ländern kommt.“ Wie aktuell und gravierend die Problematik ist, zeigt eine jüngst von der UNICEF veröffentlichte Studie auf, derzufolge weltweit täglich 3000 Mädchen und Buben von Menschenhändlern verkauft werden, die meisten von ihnen zu Zwecken der Sexindustrie und der Prostitution. Aufsehen erregt haben in den letzten Monaten auch Ermittlungen der Polizei in London, die ergeben haben, dass allein in der Stadt London in den vergangenen Monaten bis zu hundert afrikanische Kinder verschwunden sind. Mutmaßlich sind viele von ihnen bei Ritualen einer christlichen Sekte umgebracht worden, weil sie für besessen gehalten wurden. Einige dieser Kinder wurden nachweislich aus Afrika „importiert“. Der Beitrag von P. Patrick beim Missio-Kongress wurde veröffentlicht und kann nachgelesen werden: Carroll Patrick, Kinder- und Organhandel in Mosambik, in: Ordensnachrichten 44 (2005), Heft 5, 26-42.fr. Martin M. Lintner |