verfasst: im Januar 2004

50 Jahre Wiedergründung der Serviten in Deutschland

(1954 - 2004)


Verglichen mit der langen Geschichte unserer Ordensfamilie ist die Spanne von 50 Jahren nicht sehr viel. Wenn wir die Spanne von 50 Jahren aber einmal mit unserem eigenen Leben in Verbindung setzen, dann können wir ermessen, was sich in einem halben Jahrhundert alles ereignen kann. Vor 50 Jahren kehrten die Serviten nach Deutschland zurück. So schlicht und ergreifend klingt dies; und es steckt doch so viel dahinter. 


Das Wappen der "Alten Deutschen Provinz": Maria, Sitz der Weisheit, mit Pelikan (unteres Drittel)
Geschichtlicher Hintergrund

Vergegenwärtigen wir uns zunächst, was geschehen war: Schon zu Zeiten unserer Gründer, schon zu Zeiten der Sieben Heiligen Väter, kamen die ersten Serviten nach Deutschland. Die Ordenshistoriker streiten um das genaue Jahr, aber vermutlich um 1257 beheimaten sich Serviten in Giebichenstein bei Halle. Aus dieser Gründung erwächst eine blühende Ordensprovinz. Am Vorabend der Reformation zählt sie über 300 Mitbrüder mit hohem Bildungsniveau, die sich in zahlreichen Klöstern verteilen. Auch Schwesterngemeinschaften gibt es in Deutschland. Mit dem Klostersturm der Reformation wird die „Alte Deutsche Provinz“, die übrigens den Pelikan in ihrem Wappen trägt, ausgelöscht. Nur wenige Klöster liegen außerhalb der Kernlande der Reformatoren. Ein ganzer Stamm des Ordens vergeht und mich persönlich wundert es immer wieder, wie wenig hiervon an Spuren im Gesamtorden geblieben sind. Die Unkenntnis darüber ist auch in den Kreisen der Geschichtsinteressierten bedauerlich groß und die historische Aufarbeitung läßt viele Wünsche offen.

Über unser Mutterhaus in Innsbruck gelingt dann knapp ein Jahrhundert nach der Reformation die Wiederbegründung des Ordens in „Germanien“. Ein großer und blühender Zweig entsteht. Früchte dieser Gründung sind die Klöster „Kreuzberg“ oberhalb von Bonn und Rheinbach. Wer heute den Kreuzberg besucht, der trifft auf eine ganz und gar servitanische Kirchen- und Klosteranlage aus der Barockzeit. Kirche und Kloster haben die Wirren der Napoleonischen Kriege und der Säkularisation überstanden; die Serviten selbst nicht. Sie wurden Opfer der größten Enteignung der Menschheitsgeschichte, Opfer der Säkularisation. Im Jahre 1802 schreibt der Chronist des Innsbrucker Klosters: „Et sic ager Germanicus exsiccatus est.“ (Und so ist der Acker (des Ordens) in Deutschland ausgetrocknet). Dies ist der historische Hintergrund der Ereignisse im Jahre 1954. 


Die Klostergründung in Buer 1954 - Rückkehr der Serviten nach Deutschland

Am 25./26.Juli 1954 wird in Buer auf dem Goldberg die Pfarr- und Klosterkirche St. Mariä Himmelfahrt vom Münsteraner Weihbischof Heinrich Baaken  feierlich konsekriert. St. Mariä Himmelfahrt ist jüngste Tochter der altehrwürdigen Propstei St.Urbanus zu Buer. Die Bevölkerungsentwicklung nach dem 2.Weltkrieg hatte es erforderlich gemacht, die übergroßen Stadtpfarreien durch Abpfarrungen zu verschlanken. Bis hierher also keine Besonderheit. Nun aber das für uns Bemerkenswerte: Mit der Seelsorge an St. Mariä Himmelfahrt werden die Serviten betraut.Der Münsteraner Bischof Dr. Michael Keller versuchte konsequent in seiner Diözese Ordensleute für die Pfarrseelsorge zu gewinnen. Er wollte damit „geistliche Zentren“ in den Steinwüsten der Großstädte schaffen. Die Geschichte, warum und wie nun gerade die Serviten und diese dann ausgerechnet nach Buer kamen, ist spannend und aufregend. P. Gottfried M. Wolff hat sie als kleine Geschichtsarbeit erstellt. (1)

Nur soviel: die Wiederbegründung hat viele „Väter“. Von ihnen sind inzwischen viele ans Ziel ihrer Pilgerschaft gelangt. Zuletzt unser lieber P. Amideus M. Wickers, der auf seine unkonventionelle Art mitgewirkt hat und wichtige Weichen stellen konnte. Einer der großen Förderer der deutschen Wiederbegründung ist unser lieber P. Ladislaus M. Maurer, der als damaliger Provinzial mit viel persönlichem Einsatz und tiefem gläubigen Vertrauen die Arbeit in Buer begleitet hat.

1954 kamen nach Buer als Prior P. Paul M. Schifflers aus Belgien, aus der Tiroler Provinz als Pfarrektor P. Hugo M. Körbel sowie P. Basilius M. Wartbichler und Br. Bonaventura M. Valentin. Die ersten Jahre wohnten sie ein ganzes Stück weit weg von unserer Kirche. Aber schon am 23. September 1955 erfolgte der erste Spatenstich für das Klostergebäude. Pater General Alfons M. Montá selbst vollzog am 13. November 1955 die Grundsteinlegung. Die lateinische Urkunde, die in den Grundstein eingelassen wurde, trägt folgenden Text:

„Am 13. November im Jahre des Heils 1955,
im 17. Jahre des Pontifikates Papst Pius XII.,
unter dem Hirtenamt von Michael, dem Bischof von Münster i. W.,
unter dem Präsidenten Theodor Heuss und dem Kanzler Konrad Adenauer der westdeutschen Bundesrepublik,
unter dem Oberbürgermeister Robert Geritzmann von Gelsenkirchen-Buer
segnete Rev.mus. P. Mag. Alfons Maria Montá, der Prior Generalis des gesamten Ordens der Diener der seligen Jungfrau Maria,
nachdem der Orden im Jahre 1802 unter Napoleon  aus Deutschland vertrieben worden ist,
diesen Stein und legte ihn in das Fundament dieses neu entstehenden Konventes,
der den Namen Maria Himmelfahrt trägt,
in Anwesenheit des Priors P. Paul Maria Schifflers,
des P. Basilius Maria Wartbichler,
des Pfarrektors P. Hugo Maria Körbel und
des Br. Manettus Maria Aussenhofer.“

Am 23. Juli 1956 konnte das Kloster feierlich eingeweiht werden.


Die erste Gemeinschaft von Buer mit dem Generalvikar für Deuschland (fr. Amideus Schuhmaier, 2. rechts) und Generalprior fr. Alfons Montà (sitzend): fr. Basilius Wartbichler, fr. Hugo M. Körbel (1. Pfarrer), fr. Paul M. Schifflers (1. Prior) (1.,2.,3. von links) und fr. Bonaventura M. Valentin (1. von rechts).

Inzwischen ist fast ein halbes Jahrhundert vergangen. Manches auf und ab hat es seitdem in Buer gegeben. Von hier aus wurden die Klöster

  • Düsseldorf-Rath,
  • Weihenlinden und
  • Viehhausen gegründet.

All diese Gründungen sind inzwischen schon wieder Geschichte. Buer selbst wurde als Kloster im Jahre 1982/1983 aufgegeben. Im Oktober 1989 sind wir Serviten jedoch wieder hierher zurückgekehrt. Heute sind wir in Buer sechs Mitbrüder. Es gibt viel Hoffnung, viel Freude, viel Arbeit, viel zu sähen und auch manches, das wächst und das geerntet werden darf. Zu unserem „lebendigen“ Konvent zähle ich auch immer die Mitbrüder, die ihre Ruhestätte auf unserem Friedhof gefunden haben, sowie jene, die an anderen Orten begraben sind und all unsere vielen Wohltäter und zahlreichen Helfer.

Anläßlich der Klostereinweihung schrieb jemand in die Chronik: „Et sic ager Germanicus refloruit anno Mariano 1954“ (Und so ist der Acker (des Ordens) in Deutschland im Marianischen Jahr 1954 wieder erblüht). Gebe Gott und unsere himmlische Herrin, daß dieses Wiedererblühen noch viele Früchte trägt! 

Servitenkirche und -kloster Anfang der 1960-er Jahre...
... und heute.

P. Christian M. Böckmann OSM, Prior von Buer 



(1) P. Gottfried M. Wolff OSM, Die Gründung des Klosters der Serviten in Gelsenkirchen-Buer (1954), in: Beiträge zur Stadtgeschichte 24 (2004), hrsg. v. Verein für Orts- und Heimatkunde Gelsenkirchen-Buer, 243-266.